TOP - Pferde und mehr

                            Schwerpunkt Schulprojekt: Tiergstützte Outdoor Pädagogik

Qualitätssicherung  -  besonders des Schulprojektes:

Zur Aufrechterhaltung und Verbesserung der Qualität dienen

  • regelmäßige Besprechungen mit den Trainerinnen
  • Feedbackbögen für die begleitenden LehrerInnen
  • Feedbackbögen für die Trainerinnen
  • Betreuung der Pferde: Es wird immer für ausreichend Ausgleichtraining für die Pferde gesorgt z.B. Wanderritte oder Gymnastizierung.
  • Jahresberichte



 

 



Dissertation von Fr. Dr. Maria Fessl ,  Ausschnitte aus der Zusammenfassung von Dr. Jutta Judex

„Entwicklung von Sozialkompetenz durch pädagogisch-therapeutisches Reiten am Beispiel des Projekts TOP“

(Die Verbindung beider Behandlungsmethoden durch den Bindestrich wurde von der Autorin bewusst vollzogen, um den gegenseitigen positiven Einfluss explizit zu verdeutlichen.)

 

Bei vorliegender Studie handelt es sich um eine Pilotstudie, die Trends erkennen lässt und zu weiterer empirischer Forschungsarbeit anregen soll.

 

Von der besonderen Situation „TOP“ wird behutsam auf das Allgemeine geschlossen: „Pferde tragen zur Entwicklung von Sozialkompetenz bei“. Es sei aber definitiv darauf verwiesen, dass bei einer Probandenanzahl von 60 Teilnehmern die Extraktion allgemein gültiger Gesetzmöglichkeiten unwahrscheinlich ist.

 

Zunächst zur Hauptfrage: wie verändert sich die Sozialkompetenz? Diese Frage wurde durch die empirische Studie eindeutig beantwortet, es findet die Tendenz zur Verbesserung der Sozialkompetenz durch die Teilnahme am Projekt TOP statt.

 

Die Hauptfrage nährt sich aus drei Unterthesen.

Erstens, dass ein verbesserter Selbstwert die Grundlage für erweiterte Sozialkompetenz darstellt,

 

zweitens, dass die Teilnahme an TOP als protektiver Faktor interpretiert werden kann und somit das adaptive Potential des Teilnehmers fördert und

 

drittens, dass durch die Teilnahme an TOP negative Bindungserfahrungen aus der Biographie durch positive Bindungserfahrungen ersetzt werden.

 

Die Verbesserung des Selbstwertes als Grundlage für Sozialkompetenz vollzieht sich durch die bei TOP generierten Erfahrungen: „das Tier mag mich“, sowie: „mir wird Verantwortung zugetraut“. Otterstedt fordert die Pädagogen und Therapeuten auf, dem Betroffenen Unterstützung bei der Suche nach seelischer Balance zu gewährleisten.[1] Dies kann bei TOP konkret beobachtet werden, sowohl durch die Reittrainer, wie auch durch die Begleitlehrer. Schließlich bewirkt das neu generierte Vertrauen in das Tier erstmals Vertrauen in sich selbst, erst dann kann eine Generalisierung auf andere Menschen stattfinden.

 

Auch die zweite These, TOP bietet sich als protektiver Faktor an, konnte verifiziert werden. Die Teilnahme und die gewonnenen positiven Erkenntnisse verstärken auch die Resilienz des Teilnehmers, indem das adaptive Potential im Erleben des Kindes, sowie in seinem psychosozialen Umfeld stattfindet. Schließlich wirkt sich die erforderliche Teamarbeit kontraproduktiv auf die Entstehung sozialer Isolation aus, selbst Klassenaußenseiter erleben sich bei TOP als eingebundene, wichtige Individuen.

 

Schließlich gibt die Bindungstheorie, formuliert in der dritten These, konkrete Hinweise darauf, wie sich die Verbesserung der Sozialkompetenz begründen lässt.

 

Zur Erinnerung sei auf die drei wesentlichen Aspekte hingewiesen:

Bindung ist lebenslang wichtig für psychische Gesundheit,

Bindung kann auch zu einem Tier hergestellt werden,

Bindung soll drei Urbedürfnisse stillen: Nähe, Exploration, Zufluchtsort.

 

Die Vermutung liegt nahe, dass im Projekt TOP diese drei Punkte aus der Bindungstheorie „nachgenährt“ werden können.

Bindung kann beispielsweise zum Reitlehrer hergestellt werden. Er ist gewissermaßen eine stabile Bezugsperson, dem die Kinder mitunter auch Geheimnisse anvertrauen.

Bindung kann auch zum Pferd hergestellt werden, welches sämtliche Urbedürfnisse stillt: es erlaubt Nähe und Körperkontakt, wobei der Teilnehmer die Wärme des Tieres spüren kann. Dies kann ihm ein Gefühl von Geborgenheit vermitteln. Das Urbedürfnis nach Explorationsverhalten kann angeregt werden durch den aufzubringenden Mut, den das Reiten erfordert. Der Teilnehmer kann in der Erfahrungssituation „wachsen“, oder auch „nachreifen“, sofern er selbst unglücklich verlaufene Bindungsprozesse erleben musste.

 

Die Quintessenz des pädagogisch-therapeutischen Nutzens von Pferden besteht in folgenden Überlegungen:

der Mensch ist eine „physiologische Frühgeburt“. Das bedeutet, er kommt bedingt durch sein großes Gehirnvolumen „unreif“ zur Welt. Würde er vollständig im Uterus reifen können, wäre sein Kopf bei der Geburt bereits so groß, dass die Mutter die Geburt nicht überleben würde.

Die logische Folge, die für jeden Menschen gilt, besteht in der Tatsache, dass er „nachgenährt“ werden muss. Das soziale Lernen findet außerhalb des Uterus statt, das Umfeld des Menschen ist sein „sozialer Uterus“. Somit ist der Mensch lebenslang bereit zur Weiterentwicklung.

Die Einbindung von Pferden in den Prozess des Nachnährens ist prinzipiell geeignet, da das Getragenwerden am warmen Rücken des Tieres an den vorgeburtlichen Zustand im Uterus erinnert und den Menschen für Lernerfahrungen daher besonders empfänglich macht.

Equus ist auch deshalb für Veränderungsprozesse wertvoll, da es zu einer Spezies zählt, die in der Herde Geborgenheit findet. Es reagiert instinktiv auf bedürftige Individuen, es beschützt sie sogar, auch den Menschen. Besonders bedürftige Menschen – in physischer wie auch in psychischer Hinsicht – erleben diese Rücksichtnahme durch die Tiere als besonders intensiv und werden dadurch empfänglich für weitere pädagogisch-therapeutische Prozesse.

Erleichtert wird diese Arbeit für die Betreiber durch den Umstand, dass gerade das Pferd auf Defizite des Menschen in besonderer Weise reagiert – es spiegelt oder zwingt zur Konfrontation mit eigenen Anteilen (z.B. Ängsten). Das Tier wird so zur Plattform, zur Projektionsfläche des inneren Erlebens und öffnet somit den Weg in unbewusste Gefilde.

Dazu ist es notwendig zu berücksichtigen, dass das Pferd keine Gegenübertragungsphänomene kennt. Daher verliert es seine eigenen Grenzen nicht und ermöglicht dem Menschen, Nähe zuzulassen ohne Angst vor Grenzverlust haben zu müssen.

Besonders traumatisierte Menschen profitieren von diesem Umstand. Abwehrmechanismen, die herkömmliche Therapiefortschritte verhindern können, sind beim Pferd daher nicht notwendig.

 

Ein medizinischer, wie auch ein psychosozialer Umstand ergänzen die Liste der Erfolgsmöglichkeiten.

Bei vielen Menschen intensivieren die Sinneserfahrungen, die am Pferderücken gewonnen werden können, die Verbindung im Großhirn zum emotionalen Zentrum. Dadurch findet das Erlernen oder auch das Umlernen auch noch mit Unterstützung der Emotionen statt, wodurch das Erlernte nahezu nicht mehr zu löschen ist. Negative Selbstkonzepte etwa verändern sich nachhaltig in positive, der Selbstwert wächst, somit auch die sozialen Kompetenzen.

An erster Stelle steht das neu generierte Vertrauen in das Tier, an zweiter Stelle dann das wachsende Vertrauen in sich selbst.

Der psychosoziale Ansatz beschreibt, dass in modernen Großstadtfamilien - das übliche Umfeld der Projektteilnehmer - meist der Zugang zur Natur gänzlich fehlt. In manchen Familien stellt ein Haustier mitunter die einzige Verbindung her. Kinder sind daher für Tiere insgesamt sehr empfänglich, vor allem Einzelkinder können das Haustier als besten Freund oder sogar Geschwisterkind wahrnehmen. Bindung wird zum Tier aufgebaut, nachweislich findet Oxytocinausschüttung beim Menschen im (als positiv erlebten) Tierkontakt statt.

Mit anderen Worten kann sich ein Kind bei einem Tier ebenso geborgen fühlen, wie bei seiner Bezugsperson. Für TOP bedeutet dieses Phänomen, dass der Kontakt zu den Pferden unglücklich verlaufene Bindungserfahrungen gewissermaßen korrigieren kann.

Zum Abschluss:

Ganze Weltalter voll Liebe werden notwendig sein,
um den Tieren ihre Dienste und Verdienste an uns zu vergelten.

Christian Morgenstern

(1871 - 1914), deutscher Schriftsteller, Dramaturg, Journalist und Übersetzer

Quelle: http://www.aphorismen.de/zitat/80630